„Lasst euch von Stereotypen nicht einschüchtern!“

Frau wirft einen Schatten, der wie Superwoman aussieht.

Fünf Frauen aus der Chefetage über Quote, Feminismus und Frauenpower (Story: Hannah Weger).

Eigentlich kam Roberta Manganelli für einen dreimonatigen Deutschkurs nach Österreich. Mittlerweile sind daraus 28 Jahre geworden. Die Italienerin hat sich hier ihr eignes Business aufgebaut, ist Gründerin und Geschäftsführerin einer erfolgreichen Wiener Modelagentur. „Es gab genügend Situationen, wo ich es als Mann leichter gehabt hätte“, weiß sie heute. Unterkriegen lassen hat sie sich dennoch nicht, im Gegenteil. Sie hat sich nicht auf ihre Schwächen, sondern Stärken konzentriert – ihr Durchhaltevermögen, ihr soziales Feingefühl und ihr Gespür für Talente. Und sie hat Karriere gemacht.  

Frauenfreie Zonen 

Dabei ist die Kombination aus Karriere und Frauen noch immer keine, die der Norm entspricht. Auch nicht 2018 – das Jahr, indem in Österreich das Frauenwahlrecht 100 Jahre besteht, die neuen Frauenbewegungen der 68er bereits 50 Jahre zurückliegen und #metoo sein einjähriges Jubiläum feiert. Noch nie waren Frauen so gut ausgebildet, noch nie gab es so viele weibliche Führungskräfte wie heute. Und dennoch ist der Weg zur Gleichberechtigung noch ein weiter. 

In Österreich gibt es ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis, 51 Prozent Frauen und 49 Prozent Männer. Doch ein Blick in die Chefetagen heimischer Unternehmen verdeutlicht: Gleichstellung geht anders! Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der umsatzstärksten 200 Unternehmen des Landes liegt laut Zahlen des ‚Frauen. Management. Report. 2018‘ der AK Wienaber bei gerade einmal 18,5 Prozent. Noch niedriger ist die Zahl der Geschäftsführerinnen: Laut Statista werden gerade mal 7,2 Prozent der Geschäftsführungsposten in österreichischen Unternehmen von Frauen belegt. Und dazu kommt, dass Frauen in Österreich im Schnitt immer noch um 21,7 Prozent weniger verdienen als Männer – in gleichen Positionen, mit denselben Qualifikationen, für dieselbe geleistete Arbeit. 

Frauen an der Spitze: Wie werden es mehr? 

Fair ist diese eklatante Unterrepräsentanz und Unterbezahlung von Frauen in der Wirtschaft in keinster Weise, findet Christine Asperger. Die Niederösterreicherin weiß, wie schwer es ist, sich in einer Männerdomäne durchzusetzen. Seit Mai 2018 ist sie als erste Frau Vorsitzende der Konzernvertretung des heimischen Öl- und Gaskonzerns OMV, ein zuvor reiner Männerverein„Um Gleichberechtigungin der Bezahlung herzustellen, braucht es eine Kombination aus gesetzlichen, kollektivvertraglichen und betrieblichen Maßnahmen“, findet Asperger. Sie benennt insbesondere strukturelle Rahmenbedingungen als Stolperstein für Frauen auf dem Weg an die Spitze. Deshalb fordert sie mehr Lohntransparenz, flexiblere Arbeitszeiten und Teilzeitmöglichkeiten für Führungskräfte– „hier ist noch einiges an Bewusstseinsbildung erforderlich“.Und in Hinblick auf die die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern seien es vor allem Frauen, die einer Doppelbelastung und höheren Karriererisken ausgesetzt sind – zwischen Kinderkrippe und Vorstandssitzung hätten es Mütter umso schwerer, Spitzenpositionen zu übernehmen. Die Kinderbetreuung müsste flexibler und besser gestaltet werden sowie auch der Wiedereinstieg nach der Karenz“, sagt Asperger. 

Frauenquote und Quotenfrauen   

Margit Angerlehner, Vizepräsidentin und Landesvorsitzende des WKO-Unternehmerinnennetzwerkes ‚Frau in der Wirtschaft Oberösterreich‘, setzt hingegen auf konkrete Frauenförderung, die bereits bei den Kleinsten ansetz: im Kindergarten- und Volksschulalter. Denn „wenn sich Frauen bereits im jüngsten Alter ihrer Möglichkeiten und auch Fähigkeiten bewusst werden und lernen, dass nicht Stereotype zählen, sondern der Wunsch und die Leidenschaft jedes Einzelnen, wird sich auch die Anzahl der Frauen in Führungspositionen weiter erhöhen“, sagt Angerlehner. 

Von der seit 1. Jänner 2018 geltende Frauenquote von 30 Prozent hält sie persönlich jedoch nicht viel. Ziel derer wäre es, Frauen zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen, dadurch das Gender-Pay-Gap zu schließen. „Die Quote schränkt einzig die Freiheit der Unternehmensführung ein. Sie behandelt nur das Symptom, aber nicht die Ursache, denn die praktischen Probleme bestehen weiterhin“, findet Angerlehner. Und außerdem wolle eine Frau ja wegen ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten einen Job bekommen und nicht wegen ihres Geschlechts. 

Mit Selbstbewusstsein an die Spitze 

Zu selbstkritisch. Zu emotional. Zu harmoniebedürftig – So werden die von Frauen rar besetzten Chefsessel oft begründet. Dass mangelndes Selbstvertrauen Frauen oft am eigenen Karriereweg hindert, hat Elisabeth Stadler, CEO der Vienna Insurance Group (VIG), bereits des Öfteren bemerkt. Schreibt sie eine Stelle mit bestimmten Anforderungen aus, dann bewerben sich mindestens dreimal so viele Männer, die vielleicht nur die Hälfte der Anforderungen erfüllen. Die Frauen hingegen erfüllen diese zu 100 Prozent. Beim Recruiting setzt sie ein eindeutiges Signal: „Bei gleicherQualifikation erhalten die Frauen den Vorzug“ Nicht umsonst, denn frauengeführte Unternehmen sind im Schnitt sogar erfolgreicher, als jene, die von Männern geführt werden. So zeigt Studie des Peterson Institutes for International Economics in Washington hat ergeben, dass ein um 30 Prozent höherer Frauenanteil in der Chefetage mit einem um 15 Prozent höheren Netto-Umsatz verbunden ist. Laut Stadler ist das darauf zurückzuführen, dass „Frauen in Führungspositionen vor allem durch emotionale Intelligenz und soziale Kompetenz auszeichnen“. 

Johanna Penz, Direktorin der Kunstmesse ‚ART Innsbruck‘, fände es wichtig, Frauen konkreter in Bezug auf ihr Selbstbewusstsein zu fördern, beispielsweise durch Persönlichkeitsentwicklungsprogramme. „Viele Frauen tendieren dazu, ihre Fähigkeiten als klein anzusehen, Männer hingegen trauen sich von vornherein mehr zu.“ Sich durchzubeißen, Macht zu übernehmen und sich zu behaupten –dazu fehle es den meisten Frauen aber an Willen und Mut.Sie selbst, so sagt Penz, habe ich Geschlecht nie als Benachteiligung erlebt. Dabei war sie sich zu ihren beruflichen Anfängen der unausgewogenen Geschlechterverhältnissen gar nicht wirklich bewusst, „und gerade das hat mir auf meinem Karriereweg sicher geholfen, weil mich nie der hinderliche Gedanke im Hinterkopf gebremst hat, dass ich ja eine Frau bin und vielleicht nicht akzeptiert werden könnte“. Dass Frauen sich im Job gegenseitig mehr supporten müssten, davon hält sie nichts. Schließlich kann „jede Frau allein die Kraft finden, ihren eigenen Weg zu gehen, ohne Steigbügelhalter“.   

Sind Karrierefrauen gleich Feministinnen? 

„Ob man andere unterstützt, sollte keine Frage des Geschlechts sein“, findet Angerlehner. Als Feministin würde sie sich, gleich wie Penz, nicht bezeichnen. Die Gleichstellung von Männern und Frauen sei ihr persönlich ein großes Anliegen, was aber zählen sollte, sei die Qualifikation, nicht das Geschlecht. Für OMV-BetriebsratchefinAsperger müsse man gerade hier einen Schritt weiter gehen und „eine Gesellschaftskultur schaffen, die geprägt ist von Gleichberechtigung, von Menschenwürde und der Selbstbestimmung der Frauen“. Feminismus bedeute für sie, dass Frauen überhaupterst eine Wahl gegeben wird,„es geht um Freiheit, um Befreiung. Dafür stehe ich zu 100 Prozent ein!“ Dass beim Feminismusbegriff häufig die Nase gerümpft oder „Emanze“ als Schimpfwort verwendet wird, sogar von Frauen, findet VIG-Generaldirektorin Stadler sehr schade – haben doch „Frauen, die sich diesbezüglich engagiert haben, so viel erreicht – für alle von uns“. Modelagenturgründerin Manganellifindet, „man sollte dennoch nicht so viel über das Frausein nachdenken, sondern klare Ziele vor Augen haben, sich gut ausbilden, ohne je das Gefühl für die Menschen und das Soziale zu verlieren – egal in welcher Branche“. 

Über Quote oder Feminismus lässt sich streiten, auch unter den starken Frauen der österreichischen Wirtschaft. ManganelliAsperger, Angerlehner, Stadler und Penzhaben dennoch eines gemeinsam: Sie haben sich nicht unterkriegen lassen und– den Statistiken und schlecht zugeschriebenen Chancen zum Trotz – Karriere gemacht.